Sanierungskonzepte nach IDW S6

Erfolgreich sanieren mit Konzept

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Von Dipl.-Kfm./Wirtschaftsprüfer/Steuerberater Christoph Hillebrand, Köln

1. Sanierungskonzept als Bestand in einer erfolgreichen Sanierung

Bereits seit 1991 gibt es Hinweise des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) zu Sanierungskonzepten. Historischer Hintergrund war die Wiedervereinigung mit all ihren Folgen. Der nächste Meilenstein war die Einführung der InsO. Seit ehedem gilt, dass die Grundlage für eine in sich schlüssige Darstellung der Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens das Sanierungskonzept bildet. Das Sanierungskonzept stellt folglich eines der zentralen Bestandteile im erfolgreichen Sanierungsprozess dar. Das Sanierungskonzept ist ein Leitfaden und dokumentiert gleichzeitig die gesamte Sanierung. Den an der Sanierung Teilnehmenden soll ermöglicht werden, sich umfassend im Rahmen des Sanierungskonzepts über die Chancen und Risiken der Sanierung zu informieren, um aufgrund dessen eine Entscheidung über die Unterstützung der Sanierung zu treffen. Vor diesem Hintergrund muss das Sanierungskonzept den Erwartungen der verschiedenen Sanierungsbeteiligten gerecht werden, damit diese in der Lage sind, eine „richtige“ Entscheidung zu treffen. Welche Anforderungen hieran zu stellen sind, soll im Folgenden auch unter Berücksichtigung des neuen IDW S 6 beleuchtet werden.

2. Ziele des Sanierungskonzepts

Das Sanierungskonzept muss insbesondere auf folgende Fragen Antworten geben:

  • In welchem Krisenstadium befindet sich das Unternehmen?
  • Welche Ursachen gibt es für die Unternehmenskrise?
  • Wo liegen die Stärken und Schwächen des Unternehmens und mit welchen Maßnahmen kann den Schwachstellen entgegen getreten werden?
  • Wie stehen die Chancen zur Realisierung des turn around?
  • Wie können die Maßnahmen eingeführt und umgesetzt werden?
  • Was leistet das Unternehmen zur Sanierung?
  • Was müssen Gläubiger zur Sanierung beitragen?
  • In welchem Umfang besteht ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf zur Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen?
  • Welche Chancen und Risiken birgt die Realisierung des geplanten Sanierungskonzepts?

3. Klarstellende Hinweise im IDW S 6 & in den F&A

Im Jahr 1991 hat das IDW Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte in der Stellungnahme FAR 1/1991 festgehalten. Die Stellungnahme FAR 1/1991 wurde vom IDW 6 abgelöst. In den Folgejahren gab es einige Überarbeitungen. Im August 2018 ist die n.F. des überarbeiteten Standards zu den Anforderungen an Sanierungskonzepte (IDW S 6) in Kraft getreten.

Der Beweggrund der Überarbeitung des Standards lag in der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 2016 und der Kritik in der Literatur an die Anforderungen des IDW S 6. Der BGH hat mit seinem Urt. v. 12.5.2016 (IX ZR 65/14) klarstellt, dass der Sanierungsplan eines Schuldners nicht den formalen Erfordernissen entsprechen müsse, die der IDW S 6 bisher als Mindestvoraussetzung für Sanierungskonzepte vorgab.

Demzufolge wurden in der Vergangenheit die formalen Erfordernisse für die Erstellung eines Sanierungskonzept insbesondere für kleine und Mittelgroße Unternehmen (KMU) von der Literatur dahin gehend kritisiert, dass zu hohe Anforderungen für solche Unternehmen gestellt wurden. Kleine und mittelgroße Unternehmen mussten teils umfangreiche und auf größere Unternehmen ausgelegte Voraussetzungen erfüllen; damit waren diese Unternehmen schlichtweg überfordert.

In der Literatur wurde daher zunehmend ein IDW S 6 light diskutiert. Mit dem IDW S 6 n.F. hat das IDW auf diese Kritik reagiert und zunächst ein Fragen-und-Antworten-Papier (F&A zu IDW S 6) zu betriebswirtschaftlichen Fragestellungen, welche die Anwendung des Standards erleichtern sollen, veröffentlicht. Darauf folgte der Entwurf des IDW S 6 mit einer entsprechenden Kommentierungsfrist, die bereits Anfang des Jahres 2018 abgelaufen ist. Nun wurde mit der finalen Verabschiedung des neu gefassten IDW S 6 nochmals eine ergänzte Neufassung der F&A veröffentlicht.

Der IDW S 6 n.F. zielt mit seinen Hinweisen und Klarstellungen darauf ab, dem Anwender einen Überblick über die Anforderungen an Sanierungskonzepten und ergänzend über die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge zugeben. Das IDW hat sich damit klar gegen den IDW S 6 light entschieden.

Es sind keine Änderungen der materiellen Anforderungen an Sanierungskonzepte enthalten. Welche Neuerungen/Klarstellungen nun zu betrachten sind, ist dem Nachstehenden zu entnehmen:

4. Struktur des IDW S 6 n.F.

Der IDW S 6 n.F. bezieht sich inhaltlich auf die folgenden sanierungsrelevanten Themen für die Erstellung eines Sanierungskonzepts:

  • Beschreibung von Auftragsgegenstand und -umfang (vgl. Rn. 25 ff.)
  • Basisinformationen über die wirtschaftliche und rechtliche Ausgangslage des Unternehmens in seinem Umfeld, einschließlich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (vgl. Rn. 45 ff.)
  • Darstellung und Analyse des Unternehmens sowie des Krisenstadiums (vgl. Rn. 52 ff.)
  • Ausrichtung am Leitbild des sanierten Unternehmens (vgl. Rn. 54 ff.)
  • Sanierungsmaßnahmen für die Bewältigung der Unternehmenskrise.
  • Integrierte Sanierungsplanung (vgl. Rn. 62 ff.)
  • Zusammenfassende Einschätzung der Sanierungsfähigkeit (vgl. Rn. 59 ff.)
  • Dokumentation und Berichterstattung.

Kürzungen und Streichungen gab es bei den Ausführungen zu Krisenstadien, zu Maßnahmen zur Überwindung der Krisenstadien oder zum Leitbild des sanierten Unternehmens. Dem Leser soll dadurch die Arbeit mit dem IDW S 6 und natürlich auch die Erstellung von Sanierungskonzepten erleichtert werden.

5. Wesentliche Inhalte – Grundsatz der Wesentlichkeit

Im Rahmen der Erstellung eines Sanierungskonzepts sind folgende Grundsätze zu beachten:

  • Grundsatz der Dokumentation,
  • Grundsatz der Flexibilität;
  • Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit;
  • Grundsatz der Richtigkeit;
  • Grundsatz der Sicherstellung des Sanierungsmanagements;
  • Grundsatz der Vollständigkeit und Aktualität;
  • Neutralität und Qualifikation des Gutachters;
  • Grundsatz der Angemessenheit;
  • Grundsatz der Wesentlichkeit.

Letzterer Grundsatz soll hier im Hinblick auf die Klarstellung des IDW S 6 n.F. in den folgenden Ausführungen genauer dargestellt werden.

Der Umfang von Sanierungskonzepten bestimmt sich nun nach dem jeweiligen konkret bestehenden Krisenstadium. Es wird daher nicht mehr anhand von formalen Kriterien beurteilt, wie umfangreich ein Sanierungskonzept sein muss.

Sanierungskonzepte sollen daher nicht mehr inhaltlich überladen werden; hier gilt der Grundsatz der Wesentlichkeit. Der Ersteller der Sanierungskonzepts muss diesen Grundsatz beachten und daran abwägen, welche Inhalte für die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens relevant sind. Der Grundsatz der Wesentlichkeit bezieht sich auf die Detailtiefe der Analyse der Krisenstadien bzw. der wirtschaftlichen Ausgangslage und der Berichterstattung.

„Von der aktuellen Krise ausgehend, ist im Einzelfall zu analysieren, welche vorgelagerten Krisenstadien im Sanierungskonzept auch zu berücksichtigen sind.“ (Rn. 23). In diesem Zusammenhang soll sich der Umfang der Analyse und der Berichterstattung über die wirtschaftliche Ausgangslage schwerpunktmäßig auf vergangenheitsorientierte Sachverhalte konzentrieren, die für die Ableitung der Sanierungsmaßnahmen maßgeblich sind. (vgl. Rn. 36) „Bei kleineren Unternehmen sind das Ausmaß der Untersuchungen und die Berichterstattung an die ggf. geringere Komplexität des Unternehmens anzupassen.“ (Rn. 31).

6. Abgrenzung der Sanierungsfähigkeit von der Wettbewerbsfähigkeit

1. Allgemeines zur Zweistufigkeit der Prüfung
Die Phasen des Sanierungsprozesses gestalten sich zweistufig. Die Fortführungsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit sind die Basis der Sanierungsfähigkeit.

„Zur Abwendung der drohenden Insolvenz sind in dem Konzept Maßnahmen zur Herbeiführung bzw. Sicherstellung einer positiven insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose im Regelfall für das laufende und das folgende Jahr vorauszusehen (Stufe 1 gemäß Abb. 1; vgl. IDW S 11). Darüber hinaus muss für den relevanten Planungszeitraum des Sanierungskonzepts die Finanzierung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sichergestellt sein.“ (Rn. 15). Das bedeutet, dass für die Bejahung Fortführungsfähigkeit ausreichend ist, wenn die Zahlungsfähigkeit im Planungszeitraum aufrechterhalten wird.

Im zweiten Schritt wird analysiert, ob die Sanierungsmaßnahmen überhaupt umsetzbar sind. „Es ist darzulegen, wie das zu sanierende Unternehmen eine nachhaltige Fortführungsfähigkeit erreichen kann. Dies setzt voraus, dass das Unternehmen auf seinem relevanten Markt über Wettbewerbsfähigkeit verfügt oder sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit diese Fähigkeit erarbeiten kann.“ (Rn. 16). Ob das Unternehmen wettbewerbsfähig ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren etwa Mitarbeiter-know-how und marktfähigen Produkten/Dienstleistungen ab.

Jedes Tun braucht ein Ziel und das Ziel jeder Sanierung ist das Leitbild des sanierten und wieder gesundeten Unternehmens. Damit stellt das Leitbild des Unternehmens den Sollzustand des Unternehmens nach Abschluss bzw. Durchführung der einzelnen Sanierungsmaßnahmen dar. Das Ziel der Sanierung ist, dass sich das Unternehmen am Markt behaupten kann und dass es über das Streben nach Wettbewerbsvorteilen in die Lage versetzt wird, eine Eigenkapitalrendite zu erreichen und auf diese Weise wieder attraktiv für Eigen- und Fremdkapitalgeber wird. Erst wenn das Unternehmen wieder renditefähig ist, kann die Sanierungsfähigkeit bejaht werden.

Lockerungen im Rahmen des IDW S 6 gibt es dahin gehend, dass neben dem bilanziellen Eigenkapital in Ausnahmefällen auch wirtschaftliches Eigenkapital ausreichend ist. Dies ist insbesondere für familiengeführte Unternehmen von Vorteil, die häufig eine besondere Finanzierungsstruktur aufweisen.

Darüber hinaus wird fortan keine branchenübliche Rendite, sondern eine angemessene Rendite vorausgesetzt. Für die Beurteilung der Angemessenheit können hier etwa Kennzahlen wie das Verhältnis von Nettoverschuldung und Plan-EBITDA bzw. Plan-EBIT herangezogen werden.

2. Unternehmen im Unternehmensverbund/Konzern
Die Sanierungsfähigkeit des Konzerns richtet sich nach der Fortführungsfähigkeit der Konzernunternehmen und der Wettbewerbsfähigkeit des Ganzen. Die Fortführungsfähigkeit der Konzerngesellschaft ist von der Liquidität des gesamten Konzerns abhängig.

„Im Falle der Erstellung eines Sanierungskonzepts für einen Konzern sind nicht nur die wirtschaftliche Struktuer des Konzerns, sondern auch die finanz- und leistungswirtschaftlichen Verflechtungen innerhalb eines Konzerns, insb. Die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit der Konzerngesellschaften zu berücksichtigen.“ (Rn. 47). Hier ist die einschlägige Rechtsprechung zur Prüfung der Zahlungsfähigkeit zu berücksichtigen, sofern der Konzern die Zahlungsströme im Cash-Pool-System verteilt.

7. Personengleichheit von Sanierungskonzeptsersteller und Abschlussprüfer

Die Frage, ob für einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer im Fall einer parallelen Befassung als Abschlussprüfer ein die Unabhängigkeit gefährdender Ausschlussgrund vorliegt, muss einzelfallabhängig und anhand der §§ 319 ff. HGB, Berufssatzung Wirtschaftsprüfer/verteidiger Buchprüfer sowie die nationalen und internationalen Prüfungsgrundsätze beurteilt werden. „Die Erstellung eines Sanierungskonzepts oder von Teilen eines solchen Konzepts – insb. Der Planung – ist mit der späteren Tätigkeit als Abschlussprüfer unvereinbar, da der Abschlussprüfer die Voraussetzung der Unternehmensfortführung (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) zu beurteilen hat und dabei nicht eine von ihm selbst erstellte Unterlage zum Gegenstand der Prüfung machen darf. Wird das Konzept nicht vom Abschlussprüfer erstellt, sondern lediglich beurteilt, führt dies nicht zu einem Ausschluss sondern Abschlussprüfer.“ (Rn. 29).

8. Fazit

Der IDW S 6 n.F. sorgt für mehr Klarheit und Übersicht bei der Erstellung von Sanierungskonzepten.

Zwar bleiben die materiellen Anforderungen an die Sanierungskonzepte bestehen, allerdings sind wichtige Neuerungen bei der Erstellung zu beachten, die schließlich vorteilhaft für die Unternehmen sind. So ist nun der Umfang von Sanierungskonzepten anhand des jeweiligen Krisenstadiums zu beurteilen. Ergänzend stehen dem Ersteller von Sanierungskonzepten die F&A bei der Beurteilung als Hilfestellung zur Seite, ohne neue Voraussetzungen aufzustellen. Unter Berücksichtigung des Wesentlichkeitsgrundsatzes hat der Ersteller selbst zu bestimmen und zu verantworten, welche Inhalte für die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens relevant sind. Der Ersteller muss bei jedem Sanierungskonzept die einzelfallabhängigen Besonderheiten fokussieren.

Im Ergebnis wird sich der Umfang von Sanierungskonzepten für KMU daher deutlich reduzieren und zu einer erheblichen Erleichterung bei der Erstellung wie auch zu einer Reduzierung der Kosten für die Erstellung des Sanierungskonzepts führen.

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